Alles begann mit Henry Miller

Literatursalon_13.09.2013 (Hametner, Flieger, Jung, Kampmann, Bührnheim)

Leipzigs Oberbürgermeister und Bücherfreund Burkhard Jung (Mitte) war bereits mehrfach Gesprächsgast im Literatursalon von Dieter Bührnheim (r.). Moderiert von MDR-Jourrnalist Michael Hametner (l.). / Fotos (3): Doreen Bunke

10.000 signierte Bücher führt Dieter Bührnheim (Bührnheims Literatursalon) in seinem Bestand. Darunter finden sich fast alle Größen dieser Welt. Das macht den Wahl-Leipziger zu einem Star unter den Antiquaren. Es ist zugleich das Ergebnis einer jahrzehntelangen Schaffensfreude, zu der Literatur-Ikone und Querdenker Henry Miller den Anstoß gab.

Bührnheims Literatursalon zählt zu den besonderen Orten in der Buchstadt Leipzig. Neben einem riesigen Schatz an signierten Büchern, die sich dort bestaunen und erwerben lassen, finden in den einstigen Geschäftsräumen der Verleger-Legende Elmar Faber regelmäßig auch hochkarätige Veranstaltungen mit namhaften Gästen statt.

Am gestrigen 26. März feierte Hausherr Dieter Bührnheim seinen 65. Geburtstag – und bei dieser Gelegenheit erklärte sich der passionierte Jäger und Sammler ab sofort für sesshaft. Seine große Leidenschaft wird das aber kaum abkühlen, denn sie zeichnet ihn aus. In Verbindung mit Tatkraft und einer Hartnäckigkeit, die einst schon Henry Miller beeindruckte.

Der weltweit bewunderte US-Autor („Wendekreis des Krebses“, „Stille Tage in Clichy“) brachte Dieter Bührnheim seinerzeit vom „Irrweg“ ab und gab ihm den entscheidenden Anstoß, signierte Bücher zu sammeln und der Welt außergewöhnliche Schätze zu vermitteln.

Dieter Bührnheim ist ein Schöngeist, der aber auch knallhart Klartext sprechen kann. Er besitzt die Sturheit und die Kraft, aber auch den erforderlichen Charme sowie damit verbundene Herzlichkeit und Großzügigkeit, um seine Ziele zu erreichen.

Schöne und seltene Dinge fallen ihm schnell auf und wecken sein Interesse. Das mündet schließlich in einer Leidenschaft fürs Sammeln. Bereits in ganz jungen Jahren mochte Dieter Bührnheim seine Zeit nicht damit verbringen, zum Fußball oder in die Kneipe zu gehen. Er wollte lieber etwas Nützliches und Sinnvolles tun. Zum Beispiel Briefmarken sammeln. Oder Ersttagsbriefe.

Letzteres war mal überaus hip in einigen Kreisen. Eine schöne Sondermarke wird auf einen dazu passend gestalteten Umschlag geklebt und dann am maßgeblichen Tag bei der Post mit einem speziellen Ersttagsstempel abgerundet. Gibt es auch heute noch, war früher ein Renner.

Solch einen Ersttagsbrief schickte Dieter Bührnheim mit der Bitte um eine Signatur dann auch sogleich an Henry Miller …

Der Gottvater der modernen amerikanischen Literatur muss das als eine ungeheure Provokation empfunden haben. Wer wagte es da, ihm solche Insignien einer bürgerlich-puritanischen Welt zu schicken? Deren aus seiner Sicht verlogene Moral er sein ganzes Leben lang so wortgewaltig und ausdauernd bekämpfte.

Ihm nun einen solchen Ersttagsbrief zu schicken, wertete Miller als frech und ungezogen. Gerade das und ein unbestimmtes Gefühl stimmten den Helden von Millionen dann aber nachsichtig und er antwortete Dieter Bührnheim gewohnt kraftvoll: „Wenn Sie eine Signatur von mir wollen, dann schicken Sie mir ein ordentliches Buch von mir, aber nicht so was hier.“

Henry Miller unterschrieb trotzdem, allerdings auf der Rückseite des Ersttagsbrief-Umschlages. Dieter Bührnheim schickte deshalb einen zweiten Ersttagsbrief an den von ihm verehrten Meister. Er bedankte sich freundlich für die erste Antwort inklusive Signatur – und bat ihn dann ebenso freundlich, bitte korrekt auf der vorderen Umschlagseite zu unterschreiben …

Dem passionierten Gesellschaftskritiker Miller platzte nun der Kragen – und er schrieb trotzdem nochmals zurück: „Wenn Sie meine Post nicht mögen, dann verbrennen Sie sie einfach!“

Von nun an sammelte Dieter Bührnheim vorrangig signierte Bücher.

Weil er zunächst eine Übersicht benötigte, wer auf der Welt berühmt und bedeutend ist und außerdem noch lebt, und weil es im „Mittelalter“ noch kein Internet gab, widmete sich Dieter Bührnheim nun mit großer Hingabe und Ausdauer seinem Brockhaus-Lexikon.

Der Rest ist Geschichte. Dieter Bührnheim verpasste seitdem keine Buchmessen in Leipzig und Frankfurt, reiste auch sonst viel durch die Bücherwelt und schrieb weiter fleißig Briefe.

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Mit seinem 65. Geburtstag beginnt für Dieter Bührnheim nun eine neue und bereits seit einigen Jahren kontinuierlich vorbereitete Lebensphase: „Ich bin mit meinem bisherigen Leben insgesamt sehr zufrieden. So ein Leben findet in mehreren Abschnitten statt, die man jeweils gesondert beschreiten und würdigen sollte. Da stimme ich mit unserem Altkanzler Helmut Schmidt überein. Deshalb schlage ich nun freudig ein neues Kapitel auf, in dem meine Frau und Familie sowie die Liebe zu Kunst und Kultur und hier vor allem zum Buch eine wesentliche Rolle einnehmen.“

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Obwohl er im Anschluss an eine Operation aktuell noch etwas wackelig auf den Beinen steht, ist Dieter Bührnheim die große Tatkraft und Freude anzusehen, mit der er sich intensiv gerade auch Bührnheims Literatursalon und dem damit verbundenen Antiquariat widmen wird.

Holger Gemmer

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