Wenn der Goldbär geht

Was würde Thomas Gottschalk tun, wenn ihm sein Goldbär abhanden käme? Er würde möglicherweise bitterlich weinen oder sich von Michelle Hunziker trösten lassen. Das ist jedoch alles Spekulation. In Leipzig muss man über die gleiche Frage nicht grübeln. Hier wird sie Realität. Leipzig ist deshalb traurig – und sagt leise servus.

Breitkopf & Härtel ist der älteste und neben der Edition Peters berühmteste Musikverlag der Welt. 1719 in Leipzig gegründet und bis heute dort in der Nürnberger Straße präsent, hat Breitkopf & Härtel im Zeichen des „Goldenen Bären“ vielfach Musikgeschichte geschrieben, mitgestaltet und geprägt.

Dr. Ulla Enßlin aus der Leipziger Dependance der mittlerweile in Wiesbaden zentrierten Legende sprach mit leiser Stimme, als sie am Stand von Breitkopf & Härtel auf der Leipziger Buchmesse 2014 den endgültigen Abschied des glanzvollen Namens aus Leipzig im Sommer erwähnte: „Heute Morgen stand es in der Zeitung. Zu Details kann ich nichts sagen.“

Die Wahl-Leipzigerin kam vor zehn Jahren aus Stuttgart in die Messestadt. Hier wurden ihre Kinder geboren und sie ist ganz offensichtlich eine Lokalpatriotin. Im gleichen Atemzug schwärmt sie von Breitkopf & Härtel, präsentiert trotz wunder Seele mit Begeisterung besondere Angebote des Verlages und sagt dann im Bemühen um einen Brückenschlag: „Einmal Leipzig, immer Leipzig. Egal wo auf der Welt, Breitkopf & Härtel wird doch auf ewig mit Leipzig in Verbindung gebracht.“

Der Zukunftsforscher Matthias Horx beschreibt in seinem bei der Deutschen Verlags-Anstalt DVA erschienenen „Buch des Wandels“ die Psychologie des Wandels, was ihn antreibt und warum wir uns so oft gegen ihn sperren.

Schon die Möglichkeit von Veränderungen versetzt uns Menschen oft in Angst, weil wir uns nach Gewissheiten und Sicherheiten sehnen und uns vor Verlust fürchten. Sagt Matthias Horx und verbindet bei seinen Schilderungen leicht verständlich Erkenntnisse aus der Geschichte, der Psychologie, der Glücksforschung und den Neurowissenschaften.

Zukunftsforscher Horx verweist zugleich auf die Chancen, die im Wandel stecken. Leipzig ist dafür ein ideales Beispiel. Ganz klar. Denn dieses Leipzig, wo man sich so schwer tut, all die vielen großartigen Ereignisse, Angebote, Errungenschaften und innovativen Entwicklungen leicht erklärbar unter einen Hut zu bringen, ist – auf den Punkt gebracht – die „Stadt des Wandels“.

„Alles fließt“, hat der griechische Philosoph Heraklit von Ephesos bereits vor 2.500 Jahren erkannt. Der souveräne Umgang mit Veränderungen und Offenheit für Neues ist deshalb eine Grundtugend und ein unschätzbarer Vorteil, der Leipzig kontinuierlich auszeichnete in seiner 999-jährigen Geschichte seit der Ersterwähnung durch den Merseburger Bischof Thietmar im Jahre 1015.

In Leipzig wird der nahe Abschied von Breitkopf & Härtel deshalb traurig und gefasst zugleich aufgenommen. Man zeigt sich dankbar und stolz, dass dieser großartige und berühmte Verlag hier so lange über einen Zeitraum von 295 (!) Jahren ansässig blieb und höchst erfolgreich gewirkt hat.

Trotz vieler Wirren der Geschichte und damit verbundener Einschränkungen wie der bizarren deutschen Teilung zwischen 1945 und 1990, die von Deutschland aus selbst verschuldet war und deren Auswirken und Folgen viele Spuren hinterließen. Auch bei Breitkopf & Härtel. Trotzdem blieb man Leipzig immer treu, auch wenn man in Wiesbaden eine neue Heimat fand. Im Fazit drückt es Dr. Ulla Enßlin von Breitkopf & Härtel perfekt aus: „Einmal Leipzig, immer Leipzig.“

Holger Gemmer

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