Einige Literaturfreunde unseres Landes sehen es wohl schon als erwiesen an, dass die Zeit der Printmedien abgelaufen ist. Denen scheinen die praktischen E-Books, die per Tablets oder Smartphones daherkommen, den Weg in die Zukunft gehörig zu versperren und den Befürwortern des gedruckten und zwischen zwei Buchdeckeln untergebrachten Textes nur noch ein Altenteil zu überlassen.
In der Leipziger Stadtbibliothek gibt es für solche Befürchtungen gottlob keinen Grund. Hier gelten Medien aller Art als gleichberechtigt und stehen gut geordnet für Nutzer unterschiedlichster Voraussetzungen, Ansichten, Interessen bereit.
Denn unter dem Dach des kunstvoll sanierten Hauses Wilhelm-Leuschner-Platz 10 und 11 wird jeder Form des riesigen literarischen und musikalischen Angebots seine eigene Perspektive zugestanden und geebnet – allein schon mittels seiner großzügigen und doch spezifischen Präsentation in Räumen, die modern, funktionstüchtig und schön sind.
Zu betreten sind diese Räume mit Respekt. Das ist nicht schwer angesichts des 100 Quadratmeter großen Eingangsbereiches, der sich hinter dem Portal weitet und ein Sinnbild des freundlichen Empfangs darstellt.
Hier befinden sich die Garderobe mit Schließfächern und der Aufzug, der alle Ebenen der Einrichtung barrierefrei erreichbar macht. Die beiden an dieser Stelle installierten Automaten für die Rückgabe ausgeliehener Medien sind für Bibliotheksbenutzer rund um die Uhr möglich – was ihnen gegenüber ein außergewöhnliches Entgegenkommen bedeutet.
Mittelpunkt und Blickfang des Eingangsbereichs aber ist die hinauf ins Foyer des Erdgeschosses führende große Eingangstreppe. An deren Fuß breitet sich ein detailgetreu aufgearbeiteter Ausschnitt eines Mosaikbodens des alten Grassimuseums aus. Eine kostbare Erinnerung an die verdienstvollen Erbauer des Gebäudes (siehe „Neuanfang mit kleiner Panne“).
Dem Foyer im Erdgeschoss wurde das übermäßig Gewaltige, das leicht beängstigend wirken könnte, durch großzügiges Aufteilen in unterschiedliche Nutzungsbereiche genommen. Im Zentrum des Raumes gibt es zwei Theken für Service, zudem für die schnellstmögliche Ausleihe von Medien vier Automaten zur Selbstverbuchung.
Der linke Seitenflügel des Erdgeschosses beherbergt die Kinderbibliothek. Hier sind aus fahrbaren Einzelelementen Lese- und Veranstaltungsinseln geschaffen worden, die von jungen Lesern begeistert angenommen werden.
Ein weiterer Bestandteil des Erdgeschosses ist der Seminar- und Veranstaltungsraum „Franz Dominic Grassi“ für etwa 50 Leute.
Der rechte Seitenflügel des Erdgeschosses bietet Zeitungslesern Lektüre und Platz. Hier ist zudem die Leipziger Lyrik-Bibliothek mit rund 5.000 Bänden untergebracht worden. Automaten für Kaffee und Snacks schaffen heimisches Flair. Ein Brunnen für Trinkwasser steht kostenlos zur Verfügung.
Ebenfalls in den rechten Seitenflügel des Erdgeschosses ist der Studienbereich integriert. Dieser enthält viele Funktionen, auch infolge des großen Bestandes an Printmedien und des Zugangs zu Datenbanken. Zusätzlich gibt es zwölf Arbeitsplätze mit Internetzugang.
Zur Hofseite hin bietet das Foyer im Erdgeschoss die durch zahlreiche Fenster besonders erhellte Zeitschriften-Lounge zum Lesen und für erste Recherchen im Online-Katalog der Bibliothek.
Das erste Obergeschoss mit dem Ausstellungsfoyer ist über Treppen oder den Aufzug zu erreichen. Hier ist die Fachliteratur mit über 100.000 Medien zu finden.
Hinauf ins zweite Obergeschoss, wo die Atmosphäre eines Kulturtempels in Vollendung herrscht. Der Oberlichtsaal für 300 Gäste – ausgestattet mit Glasdach, Eichenparkett, Fußbodenheizung – ist das Herzstück des Hauses. Auf der Bühne steht ein Steinway-Flügel. Es gibt Tontechnik und Beamer.
Literaturliebhabern dürfte dennoch eher der linke Seitenflügel des zweiten Obergeschosses das Herzstück bedeuten, denn hier wurde der Bestand an Belletristik alphabetisch aufgereiht. Fast 40.000 Bücher stehen zur Verfügung.
Im zweiten Obergeschoss befinden sich auch der Multimedia-Bereich mit DVDs, Hörbüchern, Computerspielen sowie der Jugendbereich und in dessen rechtem Seitenflügel der Hörsessel.
Von einer besonders originellen gestalterischen Lösung im zweiten Obergeschoss profitiert der Lesesaal der Musikbibliothek. Er ist mit einer Galerie versehen worden, die über eine Wendeltreppe erreichbar ist, und verfügt über 30 individuelle Arbeitsplätze.
Die eigentliche Musikbibliothek mit fast 250.000 Medien, rund 15.000 CDs und diversen Abspielmöglichkeiten befindet sich jedoch im dritten Obergeschoss, ebenso die Notenbibliothek.
Viertes Obergeschoss. Der mindestens 100 Personen Platz bietende Veranstaltungsraum „Huldreich Groß“, benannt nach dem Stifter der Bibliothek, erinnert an deren jahrhundertealte Tradition und weist zugleich auf deren zahlreiche kulturelle Aktivitäten der Gegenwart hin. Beides wird demnächst Thema bei „www.buchstadt-leipzig.de“ sein.
Als Ergänzung zu empfehlen ist der Bildband „Die Leipziger Stadtbibliothek“ von Arne Ackermann und Heike Scholl, erschienen im Lehmstedt Verlag Leipzig 2012.
Übrigens muss dieser imaginäre Rundgang durch das wunderschöne Haus der Leipziger Stadtbibliothek am Leipziger Wilhelm-Leuschner-Platz 10 und 11 kein Ersatz für den persönlichen Besuch desselben sein. Es hat schon Berliner Gäste gegeben, die darin ausgerufen haben: „Wat für’n cooler Laden“. Wenn das mal nicht höchstes Lob bedeutet …
Traude Engelmann