Traditionsreiches grünes Leipzig

Im Sommer sollte man Leipzig aus der Vogelperspektive betrachten. Dann wird man an den Anblick einer Kalten Platte erinnert, die reichlich mit Petersilie versehen wurde. Den Gedanken an das sowohl dekorative als auch vitaminreiche Küchenkraut wecken die reichlich vorhandenen Parks, Auwälder und Gärten der Stadt. Die verschönern nicht nur die riesige Ansammlung steinerner Häuser, sondern bieten deren Bewohnern auch ein wertvolles Stück Gesundheit.

Das Leipziger Frei- und Grünflächensystem ist ein gewaltiges Potential, das erhalten und verwaltet werden muss. Das gilt auch für einen der wesentlichen Bestandteile desselben, die Kleingärten.

Diese stellen in ihrer Gesamtheit eines der zahlreichen Markenzeichen der Stadt dar. Denn sie repräsentieren nicht allein jenes wertvolle Grün mit den geringsten Pflegekosten und zugleich größten Nutz- und Erholungseffekten des Territoriums, sondern damit auch eine lange Traditionslinie.

Das ist die der sogenannten Schreberbewegung, die von Leipzig aus ihren weitverzweigten Weg über ganz Deutschland und Europa in die weite Welt ging.

Deren Namensgeber, Dr. med. Daniel Gottlob Moritz Schreber (15.10.1808 bis 10.11.1861), war Leibarzt des russischen Fürsten Alexej Somorewskij sowie Mitbegründer des ersten Leipziger Turnvereins. Sein damals noch außergewöhnlicher Wunsch bestand darin, für Kinder altersgerechte Spiel- und Sportplätze zu schaffen. An Möglichkeiten zu ihrer körperlichen Ertüchtigung durch gärtnerische Betätigung hat er sicher gar nicht gedacht.

An seiner Stelle tat das aber sein Schwiegersohn, Schuldirektor Dr. Dr. Ernst Innocenz Hauschild, der 1846 – das war drei Jahre nach Schrebers Tod – dessen humanes Anliegen auf eigene Weise verteidigte. Gemeinsam mit mehr als 250 Männern und Frauen des Leipziger Bürgertums legte er in der Stadt den sogenannten Schreberplatz an, auf dem sich Alt und Jung tummeln konnte.

Erst der Lehrer Heinrich Karl Gesell setzte hier eine neue soziale Idee in die Tat um, indem er kleine Gärten anlegte, wo Kindern das ertragreiche Bearbeiten von Bodenflächen beigebracht wurde. Allerdings sollen den Mädchen und Jungen beim Jäten von Unkraut schnell Lust und Geduld vergangen sein und deren Eltern zwangsläufig selbst zu Hacke und Spaten gegriffen haben.

Damit machten sie aus den Kinderbeeten am Rand der Schreberschen Spielwiese sogenannte Familienbeete, die später parzelliert und umzäunt und von da an als Schrebergärten bezeichnet wurden. Diese Namensgebung gilt als Geburtsstunde des Kleingartens.

Die erste Kleingartenanlage, genannt „Johannistal“, wurde 1832 gegründet. Die Gründung des Schrebervereins fand 1864 statt.

Ende des 19. Jahrhunderts begann das Leipziger Beispiel rasch Schule zu machen. Gartenkolonien entstanden auch in anderen Städten Sachsens und des übrigen Deutschlands. Die damalige Wohnungsnot hatte zudem den Effekt, dass sich die Pächter auf den Parzellen hölzerne Unterkünfte bauten, die Lauben.

In der historischen Leipziger Kleingartenanlage „Dr. Schreber“, die heute unter Denkmalschutz steht, kann man noch die Urform der Schrebergärten erkennen.

Gegenwärtig gibt es in unserer Stadt 271 Kleingärtnervereine, von denen 208 dem Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e.V. (SLK) angehören. Dieser übernimmt somit die Verwaltung von rund 39 000 Parzellen mit einer Gesamtfläche von 1 240 ha und damit fast ein Drittel aller öffentlich nutzbaren Grünflächen Leipzigs.

Um den organisatorischen Ablauf dieses Prozesses überschaubar zu machen, wurden die 208 Kleingärtnervereine vom SLK in zehn Bezirksgruppen unterteilt, deren Mitglieder territoriale Nachbarn sind. Ein wichtiges Ziel der Zusammenarbeit ist die gedeihliche Entwicklung des Vereinslebens und eines harmonischen Gemeinschaftssinns.

Jedes Jahr im November kommen im Großen Ratssaal des Neuen Rathauses der Stadt etwa 180 Delegierte zur Mitgliederversammlung des SLK zusammen, um die Aktivitäten der vergangenen zwölf Monate zu recherchieren und die zukünftigen festzulegen. 2014 fand bei dieser Veranstaltung auch die Neuwahl der Mitglieder des Vorstands und der Revisionskommission statt.

Von der Nähe betrachtet ist deutlich zu erkennen, dass die schönen und gesunden grünen Inseln im steinernen Häusermeer nur mit viel Arbeit zu erhalten sind. Aber die lohnt sich eben.

Traude Engelmann

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