Rudolf Diesel (18.3.1858-29.9.1913), der geniale Erfinder und Entwickler des nach ihm benannten Dieselmotors, empfahl bereits vor über 100 Jahren Pflanzenöl als Kraftstoff für den Fahrzeugbetrieb. Eine dritte große Idee von ihm blieb bis heute dagegen unverwirklicht: die Solidargemeinschaft.
Man könnte Rudolf Diesel, der so tragisch und noch immer ungeklärt bei einer Schiffspassage im Ärmelkanal ertrank, als einen wahrhaften Europäer bezeichnen. Schon als Jugendlicher und Student wurde er vielerorts und international als besonders begabt eingestuft und gefördert. Ein Menschenfreund, der sich souverän zwischen Deutschland, Frankreich und England bewegte.
Im Jahre 1903 veröffentlichte er im Oldenbourg Verlag, im Todesjahr des Verlagsgründers Rudolf Oldenbourg (1811-1903), ein innovatives Werk, das sich einmal mit einem ganz anderen Thema als Technik beschäftigte. Wobei auch hier Zahlen, Weitsicht und abstraktes Denken tragende Säulen waren.
„Solidarismus“ nannte Rudolf Diesel das Werk, in dem er auf 124 Seiten seine Idee und Empfehlung für eine genossenschaftlich organisierte Wirtschaft im Sinne einer gerechteren Gesellschaftsstruktur skizzierte. Die Interessen des Einzelnen sollten hierdurch stärker mit den Interessen der Allgemeinheit harmonieren.
Über einen geringfügigen Solidaritätsbeitrag sollte zudem eine „Volkskasse“ gespeist werden, die dann dem Gemeinwohl zugute kommen könnte.
Ein Solidaritätsbeitrag wurde zwar im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung 1990 eingeführt und auch den im Vergleich zu Rudolf Diesels Anregungen drastisch hohen Rundfunkbeitrag könnte man in dieser Richtung werten, doch das entspringt eher dem Zufall und hat hinsichtlich der Verwendung der Mittel auch nur begrenzt mit den Idealen von 1903 zu tun.
Rudolf Diesels „Solidarismus“ fand nie Beachtung und geriet sogar so stark in Vergessenheit, dass es heute zumeist überrascht, im Zusammenhang mit dem Namen Diesel gleich drei bahnbrechende Innovationen zu entdecken.
Vielleicht war die Zeit 1903 noch nicht reif für diese jüngste Idee des genialen Denkers und Tüftlers. Auf einen Motor wie den von Diesel erdachten und entwickelten reagierten die Menschen und vor allem die Wirtschaftskapitäne jener Zeit mit rasch wachsender Nachfrage. Das von ihm ins Gespräch gebrachte Pflanzenöl als Kraftstoff benötigte knapp 100 Jahre, bis es Zugang in den Köpfen fand. Obwohl das Verfahren schon damals bekannt war, wenn auch noch nicht ausgereift.
Vielleicht bedarf es nochmals 100 Jahre oder noch viel länger, bis sich auch Diesels Anregung einer Solidargemeinschaft durchsetzt. Aktuell ist mehr eine Gegenbewegung erkennbar, „klafft die Schere immer weiter auseinander“, wie beinahe täglich aus vielen Mündern kritisiert wird …
Rudolf Diesels „Solidarismus“ könnte bei näherer Betrachtung und etwas mehr gutem Willen also vielleicht ein drittes Mal zu einem bahnbrechenden Ergebnis führen. Das Werk von 1903 ist zwar vergessen, aber weiterhin zu haben.
Der Berliner Autographen-Händler Ralf Hahn („scripta scientium“), dessen Spezialgebiet herausragende Naturwissenschaftler, Mathematiker und Techniker sind, hat eines aufgetrieben. Auf der Antiquariatsmesse im Rahmen der Leipziger Buchmesse 2014 bot er ein sehr gut erhaltenes und von Rudolf Diesel signiertes Widmungsexemplar an. Für 1.750 Euro.
Auch wenn das in Bezug auf das Thema auf den ersten Blick vielleicht wenig solidarisch anmutet: Als möglicher Garant für die Zukunft wäre es ein eher kleiner Betrag …
Holger Gemmer